Vom Jäger zum Gejagten

© Goldmann

Kaum ein Sub-Genre des Kriminalromans hat sich in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren in meinen Augen so nachteilig entwickelt wie der so genannte Psychothriller, welcher inzwischen auch fast die letzten Verbindungen zu den ursprünglichen Wurzeln bei Daphne du Maurier oder Patricia Highsmith gekappt hat und die zentrale Frage des Warums bei einer Tat nun stets mit dem immer gleichen blutrünstigen Soziopathen beantwortet.

Ob Cody McFadyen, Sebastian Fitzek oder Karin Slaughter – sie alle haben einen eklatanten Mangel an Finesse in ihrer Erzeugung von Suspense gemeinsam und stattdessen die brutale Holzhammermethode als stilbildendes Mittel etabliert, dem willig neue literarische Fleischer folgen, was jedoch – dies muss man leider konstatieren – auch auf große Nachfrage beim Leser stößt. Doch was ist mit dem Hitchcockschen Schauer? Und wo findet man heute noch die kühle Eleganz eines „Psycho“ von Robert Bloch?

Ich muss gestehen, lange Zeit hielt sich meine Motivation, nach einer Antwort auf diese Frage zu suchen, in Grenzen, hatte sich mein Interessensgebiet doch bereits längst in Richtung Hardboiled bzw. Noir verlagert, des schablonenhaften Schema Fs hiesiger „Bestseller“ schlichtweg überdrüssig. Die Entdeckung Michael Robothams war daher auch eher Zufall als gezielte Auswahl, denn allein aufgrund der äußerlichen Gestaltung seiner Bücher ließ auch er nur mehr vom ewig gleichen vermuten. Wie schon in meiner Besprechung zum Auftakt der Reihe, „Adrenalin“, herausgestellt, trügt hier aber der erste Eindruck enorm, schafft es der australische Autor doch ursprüngliche Elemente des Psychothrillers in einem modernen Gewand zu präsentieren und sich dabei auch gleichzeitig mehr auf die neuralen Kapazitäten des Lesers als auf dessen Mageninhalt zu konzentrieren. Herausgekommen ist mit „Amnesie“ erneut ein erfrischend anspruchsvoller, weil durchdachter und subtiler Kriminalroman, dessen größte Stärke wieder im kontinuierlichen Aufbau des Spannungsbogens liegt. Und damit kurz zur Story:

Detective Inspector Vincent Ruiz, Leiter des Dezernates für schwere Gewaltverbrechen, erwacht nach einem achttägigen Koma in einem Krankenhaus in London, nachdem man ihn zuvor schwer verletzt aus dem brackigen Wasser der Themse geborgen hatte. Doch seine Rückkehr in die Welt der Lebenden steht unter keinem guten Stern. Nicht nur, dass er seinen Finger samt Ehering und sein Gedächtnis verloren hat – auch sein Ruf scheint schwer beschädigt. Zeitgleich mit seiner Rettung hatte es bei einer Schießerei auf einem Boot ein Blutbad gegeben. Und der bei ihm behandelte Beinschuss deutet darauf hin, dass auch er in irgendeiner Art und Weise daran beteiligt gewesen ist. Sein Vorgesetzter, Superintendent Campbell Smith, zweifelt am Wahrheitsgehalt von Ruiz‘ Aussagen. Leidet er wirklich unter einer Amnesie?

Der einzige richtige Anhaltspunkt für Ruiz ist das Foto eines Mädchens, welches er bei sich trägt. Drei Jahre ist es her, seit die damals siebenjährige Mickey Carlyle entführt wurde und seitdem spurlos verschwunden blieb. Er hatte selbst in dem Fall ermittelt und das Kind monatelang vergeblich gesucht. Mickeys Nachbar wurde zwar aufgrund mehrerer belastender Indizien wegen Mordes verurteilt – doch Ruiz glaubt fest daran, dass sie noch lebt. Eine Annahme, die er mit dem Vater des Mädchens, dem skrupellosen russischen Mafiaboss Aleksej Kuznet teilt, der eines Nachts plötzlich an seinem Krankenbett steht und ihn vor eine unmissverständliche Wahl stellt: Entweder findet er Mickey oder er übergibt ihm die Diamanten im Wert von zwei Millionen Pfund. Ruiz hat keine Ahnung wovon Kuznet spricht, doch als er nach seiner Entlassung die Juwelen tatsächlich in seiner Wohnung entdeckt, begreift er, wie tief er mittlerweile in Schwierigkeiten steckt.

Sollte auf dem Boot eine Lösegeldübergabe stattfinden? Oder hat er vorher gar heimlich für die russische Mafia gearbeitet? Während die Dienstaufsichtsbehörde schon mit den Hufen scharrt und ihm zunehmend auf die Pelle rückt, bittet Ruiz einen alten Bekannten um Hilfe. Der Psychologe Joe O’Loughlin, den Ruiz einst noch als einen möglichen Tatverdächtigen gejagt hatte (nachzulesen in „Adrenalin“), soll ihm nun helfen, seine Erinnerung zurückzuerlangen …

Wem diese kurze Zusammenfassung irgendwie bekannt vorkommt, der gehört wohl zu den Zuschauern der ZDF-Serie „Neben der Spur“, in welcher ein Teil von Michael Robothams Reihe um O’Loughlin und Ruiz mit deutschen Schauspielern und an deutschen Schauplätzen (u.a. Hamburg) bereits verfilmt worden ist. Wie man hört für unsere TV-Verhältnisse sogar recht passabel, was ich aus eigener Erfahrung aber nicht bestätigen kann, da ich sie bisher noch nicht gesehen habe. Und so kann ich leider ebenfalls schlecht beurteilen, ob eine Lektüre nach dem Genuss der Serie noch lohnt. Gemäß dem üblichen Gesetz, dass eine filmische Umsetzung nie so gut ist wie die literarische Vorlage, würde ich diese Vermutung jedoch äußern, zumal es dem Autor hervorragend gelingt, den Schauplatz London wieder äußerst atmosphärisch in Szene zu setzen. Insbesondere das Kanalsystem unterhalb der Stadt, welches eine durchaus wichtige Rolle innerhalb der Handlung spielt und für klaustrophobische Gefühle beim Leser sorgen dürfte.

Überhaupt überrascht Robotham mit einer unheimlichen Empathie und seinem Stil der leisen Töne. Während andere Thriller sich heutzutage mit Action-Einlagen und drastischen Gefühlsausbrüchen überschlagen, kommt „Amnesie“ verhältnismäßig ereignisarm daher und weiß doch peu a peu in den Bann zu ziehen. Hier geht die größte Sogkraft natürlich von Vincent Ruiz aus, der, anders als noch im Auftakt „Adrenalin“, nun die Hauptrolle verkörpert, wodurch der vorherige Ich-Erzähler O’Loughlin diesmal ins zweite Glied rückt. Ein intelligenter Schachzug, der nicht nur die offensichtliche Geradlinigkeit sonstiger Krimi-Reihen umschifft, sondern gleichzeitig auch dem ganzen Plot zusätzlich mehr Tiefe und Struktur verleiht. Zumal wir uns in der interessanten Position befinden, auf demselben Wissenstand wie der Erzähler zu sein und somit quasi im Rückwärtsgang an dessen Seite die vorherigen Geschehnisse aufdecken. Da Ruiz mithilfe penibler Recherchen und Befragungen sich nach und nach seine Erinnerungen zusammensetzt, entwickelt sich eine immer drängendere Spannung von gleich zwei Seiten: Einerseits ist man neugierig endlich zu erfahren, inwieweit Ruiz in die Ereignisse auf dem Boot verwickelt war. Andererseits drohen ihm im Hier und Jetzt, vor allem durch die russische Mafia, ebenfalls konkrete Gefahren.

Es ist Robotham hoch anzurechnen, dass er bei dieser Gedächtnisfindung auf irgendwelche künstlichen Aha-Momente verzichtet, wodurch sich die Handlung stattdessen sehr organisch entwickelt und auch der Nervenkitzel mit jeder Seite an Kraft gewinnt. Verrat und Gefahr, man wittert sie irgendwann hinter jeder Ecke, wie Ruiz verhältnismäßig „blind“ für den eigentlichen Feind. Robotham ist mit dem eisenharten, aber auch immer wieder an Selbstzweifeln leidenden Vincent Ruiz dabei ein weiterer unheimlich vielschichtiger Charakter gelungen, der zusammen mit dem an Parkinson erkrankten O’Loughlin trotz der düsteren Rahmenbedingungen ein mitunter äußerst kurzweiliges, aber auch sich hervorragend ergänzendes Duo bildet. Anders als bei Sherlock Holmes und Dr. Watson kann hier niemand die Superiorität für sich beanspruchen, was, gepaart mit der Unterschiedlichkeit der Figuren, auch immer wieder für Reibung sorgt.

Die Klasse des Vorgängers „Adrenalin“ erreicht „Amnesie“ am Ende dennoch nicht ganz – und das obwohl Robotham in Punkto Erzähltempo hier nochmal eine Schüppe draufgelegt hat. Dafür kann die finale Auflösung aber nicht auf ganzer Länge überzeugen, was man diesem durchweg gekonnt erzählten Psychothriller jedoch gerne durchgehen lässt. Die Lust auf mehr von Vincent Ruiz, Joe O’Loughlin und Co. – sie ward definitiv aufrechterhalten.

Wertung: 89 von 100 Treffern

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  • Autor: Michael Robotham
  • Titel: Amnesie
  • Originaltitel: Lost
  • Übersetzer: Kristian Lutze
  • Verlag: Goldmann
  • Erschienen: 03/2011
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 448 Seiten
  • ISBN: 978-3442476435

Die Rückkehr der Suspense

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© Goldmann

Wenn Michael Robotham, wie zum Beispiel im vergangenen September, mal wieder Eingang in den erlesenen Kreis der KrimiZeit-Bestenliste gefunden hat, bin ich meist ziemlich erleichtert über die Tatsache, dass in der Aufführung auf Cover gänzlich verzichtet wird, passen seine Titel doch optisch so überhaupt nicht zum Rest der illustren Gesellschaft. Einen Chris-Carter oder Sebastian-Fitzek-Klon mag vielleicht gar ein Nicht-Kenner zwischen den Buchdeckeln vermuten – und damit meine Ansicht bestätigen, dass es kaum einen Verlag gibt, der seinen Autoren in schöner Regelmäßigkeit so einen Bärendienst erweist wie Goldmann.

Blut ist, wenn auch übermäßig auf Front- und Rückseite verwendet, so ziemlich das Letzte, was man mit diesem Autor verbinden sollte, in dessen Werken natürlich Morde im Mittelpunkt stehen, der Splatter- und Folteraspekt aber eben nicht bedient wird bzw. werden soll. Schon im Erstling „Adrenalin“ wird dies deutlich, dessen Lektüre bis heute positiv bei mir nachwirkt …

Rezensionen in der Retrospektive – vielleicht nicht unbedingt die beste Herangehensweise, da die Zeit mitunter stark an der Erinnerung nagt und diese zudem dabei verfälscht. Im Fall von Michael Robothams Erstlingswerk „Adrenalin“ sei der Weg dennoch gewählt, war doch meine damalige Besprechung äußerst kurz geraten und letztlich damit dem Autor nicht angemessen, der sich – vielleicht auch wegen der fragwürdigen Covergestaltung seines deutschen Verlegers Goldmann – in den Kreisen der Krimi-Feinschmecker immer noch etwas schwer tut, Fuß zu fassen.

Schon die erste Auflage verfehlte seinen Auftrag als Eye-Catcher auf ganzer Linie. Glänzendblauer Schriftzug vor blutrotem Hintergrund, mit der Liebe eines Holzfällers zusammen komponiert. Eine Aufmachung, welche gerade zu „Krimi von der Stange“ schreit, weshalb es an sich schon verwundert, dass sich Robotham schließlich doch hierzulande einen Namen machen konnte. Natürlich zählt letztlich der Inhalt, keine Frage. Besonders als Buchhändler muss man aber häufig erfahren, dass dennoch viele potenzielle Kunden nach dem Cover beurteilen. Im Fall von Robotham ein doppelter Fluch, der erst seinen Start mitunter etwas erschwerte und eben jetzt dafür sorgt, dass sich seine Titel auf der Krimi-Zeit-Bestenliste seltsam deplatziert ausnehmen, wenngleich sie zweifelsfrei dorthin gehören. Angefangen eben mit „Adrenalin“, welches, im November 2007 von mir gelesen, bis heute nachhaltig Eindruck hinterlassen hat. Kurz zum Inhalt:

Professor Joe O’Loughlin ist, abgesehen von der Tatsache, dass er zu den bekanntesten und renommiertesten Psychotherapeuten in London gehört, ein absolut durchschnittlicher Familienvater mit einem bis hierhin vollkommen durchschnittlichen, unaufgeregten Familienleben. Ein Zustand, den er sich durchaus bewahren möchte, der jedoch nicht länger von Dauer ist, als ihn Detective Inspector Vincent Ruiz in einem wichtigen Fall um Hilfe bittet. Eine grausam zugerichtete Frauenleiche ist neben dem Grand Union Kanal gefunden worden und obwohl alles daraufhin deutet, dass es sich um eine Prostituierte handelt, soll O’Loughlin sich selbst ein Bild machen und dem Detective seine Eindrücke vermitteln. Der erkennt in der Frau die Krankenschwester Catherine McBride wieder, welche bei ihm in einem Bewerbungsgespräch vorsprechen wollte. Aus Angst weiter in die Ermittlungen verwickelt zu werden, verschweigt er dies der Polizei jedoch ebenso wie die Tatsache, dass er vor einigen Jahren als Arzt mit ihr zusammen in Liverpool gearbeitet hat. Doch bleibt dies bei weitem nicht der einzige Zufall.

O’Loughlins derzeitiger Patient, der ebenso verschlossene wie zu Aggression neigende Bobby Moran, hegt Gewaltphantasien, welche in erschreckender Weise mit den Verletzungen übereinstimmen, die Catherine vor ihrem Tod zugefügt wurden. Nun beschleicht ihn ein böser Verdacht: Könnte Moran ihr Mörder sein? O’Loughlin behält seinen Verdacht vorerst für sich und gerät so auf einmal selbst ins Visier des ermittelnden Detectives. Mehr noch: Ruiz hat eine Anzeige aus Liverpooler Tagen gefunden, in welcher Catherine O’Loughlin der sexuellen Belästigung beschuldigte. Und auch das Fehlen eines Alibis für die Tatnacht wird ihm nun zum Verhängnis. Während die Polizei die Kreise enger schließt, macht er sich daran die dunkle Geschichte seines mysteriösen Patienten zusammenzusetzen, um seine Unschuld zu beweisen. Doch eine private Nachricht bringt seine Welt zusätzlich ins Wanken …

Der neue Stern am Krimi-Himmel.“ Nun gut, auch wenn er es vielleicht nicht direkt so formuliert hat, so war das in meiner Erinnerung zumindest der Tenor meines ehemaligen Krimi-Couch-Redakteurs-Kollegen Jürgen Priester zu Michael Robothams „Adrenalin“, woraufhin ich mich trotz nichtssagendem (und zudem gänzlich unpassenden) Titel und (bereits oben hinreichend erwähnter) ebenso nichtssagender Covergestaltung selbst daran machte, diesen Autor für mich zu entdecken. Eine Entscheidung, die Überwindung kostete, hatte ich mir doch zum damaligen Zeitpunkt „Psychothriller“ mit soziopathischen Killern endgültig übergelesen.

Ob Jeffery Deaver, Tess Gerritsen oder Jean-Christophe Grangé – das maximale Maß der Abstumpfung, was immer krudere Mordermittlungen anging, war bei mir so ziemlich erreicht. Genauso wie die Grenze der Geduld für die selben stets wiederkehrenden Elemente, mit denen wir Leser „überrascht“ werden sollten. Lawrence Block, Dennis Lehane, James Lee Burke – sie hatten sich 2007 in meinen Fokus geschrieben, wodurch ich „Adrenalin“ mit einem gehörigen Maß an Skepsis und Zurückhaltung in Angriff nahm. Vorab: Beides konnte ich nur wenige Seiten aufrecht erhalten. Und das obwohl Robothams Debütroman nur wenig mit einem klassischen „Pageturner“ gemein hat – was übrigens gut so ist.

Der erste Eindruck, den „Adrenalin“ vermittelt, ist der von Sorgfalt. Sorgfalt beim Plotten der Handlung, bei der Auswahl seiner Schauplätze und vor allem in der Darstellung und Zeichnung seiner Protagonisten. Entgegen der Konkurrenz bevölkern keine stereotypen Figuren diesen Kriminalroman, sondern glaubhafte, weil auffällig normale und wenig außergewöhnliche Personen, wie man sie in diesem inzwischen von Superlativen überladenen Genre schon vergessen glaubte. Joe O’Loughlin ist ein Jedermann. Ein guter Psychotherapeut zweifellos, aber kein Rhyme, der aus dem Bett heraus ganze Fälle löst oder gar ein Inspektor Niemans, der, mit Waffe im Anschlag, seine Verdächtigen bis zur Aufgabe jagt. Dementsprechend machtlos ist er, wenn Ruiz und seine Kollegen ihm auf die Pelle rücken, zumal eine ärztliche Diagnose seinen Handlungsspielraum weiter eingrenzt.

Dieses auf Du und Du sein mit den Hauptcharakteren macht den Charme von „Adrenalin“ (und auch der späteren Reihe) aus und ermöglicht sogleich einen Zugang zu den Ereignissen, die man nicht kinogleich aus hinterster Reihe verfolgt, sondern mittendrin erlebt. Wie bei Richard Kimbles Flucht, so ist auch O’Loughlins Jagd nach den wahren Tätern gerade deswegen so elektrisierend, weil wir hautnah daran teilnehmen. Aber auch weil wir uns manchmal leise die Frage stellen: Und wenn die Polizei mit ihm doch den Richtigen hat?

Robotham reizt diese erzählerische Möglichkeit allerdings nicht über alle Maßen aus, da immer wieder Hinweise gestreut werden, dass es da doch jemanden geben könnte, der, einem Puppenspieler gleich, die Fäden von O’Loughlins Schicksal mit perfider Freude zieht und lenkt. Gerade auch hieraus bezieht „Adrenalin“ einen Großteil der Spannung, wie überhaupt die klassische Suspense hier ihre Rückkehr feiert, die, auf Kosten der sonst üblichen actionreichen Passagen, die grauen Zellen des Lesers ebenso anregt, wie die Haare auf dessen Unterarm, sofern dieser sich auf die Tatsache einlässt, dass der Weg das Ziel ist. Gerade die Produktion von Adrenalin wird beim namensgleichen Buch wohl kaum angeregt, was die Kritiken mancher Freunde schneller, actionreicher Handlungen erklären dürfte, die sich über die „Langatmigkeit“ und „Dialoglastigkeit“ dieses Werks auslassen. Vor allem Letzteres werte ich gar als Plus, da Robothams Schreibe durch kurzweiligen Wortwitz besticht und auch in Punkto Humor genau die richtige Balance findet. Flüssig, stellenweise ausschweifend, aber doch nie abschweifend, gefällt „Adrenalin“ mit knappen, aber doch aussagekräftigen Beschreibungen und einer bildreichen Alltagssprache. Nichts wirkt gekünstelt oder am Reißbrett entstanden, nichts unnötig konstruiert. Das gilt insbesondere für das Ende, welches ich so nicht erwartet hätte.

Kurzum: Mit „Adrenalin“ hat der Australier Michael Robotham ein beeindruckendes Debüt abgeliefert und den Grundstein für eine Reihe gelegt, welche gerade durch ihre Perspektivwechsel (Den zweiten Band, „Amnesie“, erleben wir z.B. aus der Sicht von Inspektor Ruiz) kaum ausrechenbar und damit für uns Leser durchweg „frisch“ bleibt. Wer gerne seinen analytischen Verstand bei einer Lektüre gebraucht und mehr als nur schmale Fast-Food-Kost sucht, ist bei Robotham genau richtig.

Wertung: 94 von 100 Trefferneinschuss2Autor: Michael Robotham

  • Titel: Adrenalin
  • Originaltitel: The Suspect
  • Übersetzer: Kristian Lutze
  • Verlag: Goldmann
  • Erschienen: 07.2011
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 448
  • ISBN: 978-3442476718