+++ Vorschau-Ticker „Crime“ – Frühling/Herbst 2020 – Teil 1 +++

Ich habe mal gerade einen Rundumblick durch unsere Bibliothek geworfen und muss ehrlich konstatieren: Wenn die Autoren ab sofort keinerlei Bücher mehr schreiben und die Verlage nichts mehr veröffentlichen würden – wir wären in diesem Hause trotzdem bis zum Rest unserer Tage mehr als ausreichend versorgt. Wer immer jedoch behauptet hat, dass mehr nicht immer besser ist, er war sicherlich nicht bibliophil veranlagt oder hat so gerne wie ich in neuen Vorschauen gestöbert. Diese gehen nun nämlich gerade wieder peu à peu online und geben einen Blick auf die Titel des kommenden Halbjahres frei. Und was da so angekündigt wird, das kann sich bis jetzt meines Erachtens durchaus sehen, Merkzetteln und teilweise sogar gleich vorbestellen lassen.

Und daher ohne viel weiteres Tamtam hier mal meine persönliche Krimi-Auslese der Verlage Suhrkamp, Klett-Cotta/Tropen, Piper und Pulp Master.

Wofür könntet ihr euch aus dieser Auswahl erwärmen?

  • Scott Thornley – Der gute Cop
    • Broschiertes Taschenbuch, August 2020, Suhrkamp Verlag, 978-3518470817, 550 Seiten, 16,00 €
    • Crimealley-Prognose: Die Frankfurter Buchmesse mit dem Gastland Norwegen ist gerade vorbei, da werden bereits seitens Suhrkamp die Weichen für den Landesvertreter im nächsten Jahr gestellt. Mit Der gute Cop kündigt der Verlag einen kanadischen Krimi an, der zumindest schon mal vom Cover her durchaus für Aufmerksamkeit sorgt. Hier steht, nicht wie meist üblich, ein Protagonist im Vordergrund, sondern gleich ein ganzes Ermittlerteam. Angeführt von Detective Superintendent MacNeice, der mich in seiner Beschreibung ein wenig an Landsmann Farrows Émile Cinq-Mars erinnert und mit sich bekriegenden Biker-Gangs ähnliche Probleme zu lösen hat. Könnte was werden und wird daher im Auge behalten.
  • Adrian McKinty – Alter Hund, neue Tricks
    • Broschiertes Taschenbuch, Juli 2020, Suhrkamp Verlag, 978-3518470602, 380 Seiten, 15,95 €
    • Crimealley-Prognose: Nachdem er zuletzt mit dem kruden The Chain vor allem dumpfe Mainstream-Fantasien bedienen musste, um fällige Rechnungen zu bezahlen, kehrt McKinty mit Alter Hund, neue Tricks (engl. Hang On St Christopher), dem achten und vorletzten Band der Serie,  wieder zu seiner Kult-Figur Sean Duffy – und damit ins Belfast der 90er Jahre zurück. Man kann nur hoffen, dass dieser Titel reißenden Absatz findet, damit sich der Autor nicht nochmal so an den amerikanischen Kommerz verkaufen muss. Wer die Reihe kennt, der weiß – an deren Qualität kann das ja verdammt nochmal wirklich nicht liegen. Unbedingte Kaufempfehlung – für mich und alle anderen Freunde gut geplotteter Krimis.
  • Zoë Beck – Paradise City
    • Broschiertes Taschenbuch, Juni 2020, Suhrkamp Verlag, 978-3518470558, 350 Seiten, 16,00 €
    • Crimealley-Prognose: Eine der besten deutschen Krimi-Autorinnen schreibt eine Dystopie mit der molochartigen Mega-City Frankfurt am Main als Setting? Klingt ziemlich gewagt, wenn eben nicht Frau Beck hier verantwortlich zeichnen würde, die bereits in der Vergangenheit gezeigt hat (siehe Die Lieferantin), dass sie für Zukunftsthemen im Thriller-Gewand durchaus ein Händchen hat. Der Klappentext verspricht in jedem Fall eine düstere Story ganz nach meinem Gusto. Und so wird auch Paradise City sicher in mein Regal wandern.
  • Melissa Scrivner Love – Capitana
    • Broschiertes Taschenbuch, Mai 2020, Suhrkamp Verlag, 978-3518470503, 330 Seiten, 15,95 €
    • Crimealley-Prognose: Mit Capitana erleben wir die Rückkehr der Gang-Leaderin Lola, dessen gleichnamiger erster Auftritt zwar von mir ebenfalls gemerkzettelt, aber noch immer nicht gekauft, geschweige denn gelesen wurde. Warum die Fortsetzung trotzdem in der Auswahl landet? Weil mich diese Kill-Bill-Version aus L.A. schlichtweg lockt und es neben all den versoffenen Private-Eyes auch ruhig mal eine skrupellos-wahnsinnige Drogen-Lady sein darf. Wie ich mich überhaupt über jede weibliche Figur in einem Spannungsroman freue, die nicht „ins Visier des Killers gerät„.
  • Lauren Wilkinson – American Spy
    • Broschiertes Taschenbuch, Juni 2020, Tropen Verlag, 978-3608504644, 352 Seiten, 16,00 €
    • Crimealley-Prognose: Auch die Ankündigung von American Spy weckt bei mir große Vorfreude. Nicht nur, weil ich damit den Prozentanteil an weiblichen Autoren in meinen Tickern etwas heben kann (Mir wird ja immer wieder gern mal vorgeworfen, ich würde Frauen absichtlich keinerlei Beachtung schenken), sondern weil die Story um eine schwarze Geheimagentin – welche am Ende des Kalten Kriegs ausgeschickt wird, um einen afrikanischen Präsidenten auszuspionieren – genau das ist, was die Krimi-Szene der USA jetzt gebrauchen kann. Eine mutige Afroamerikanerin unter weißen Männern – das ist in der Tat mal etwas anderes und macht mich äußerst neugierig. Wird ganz sicher gekauft.
  • Keigo Higashino – Unschuldige Täter
    • Hardcover, März 2020, Tropen Verlag, 978-3608504132, 400 Seiten, 22,00 €
    • Crimealley-Prognose: Wer mich näher kennt, der weiß – ich hab es nicht so mit asiatischer Kriminalliteratur. Unter der Mitternachtssonne hat allerdings allerorten überaus positives Feedback erhalten und auch der in die Vergangenheit zurückreichende Fall in Unschuldige Täter lässt mich wieder aufhorchen, ist doch der geniale Physiker Yukawa zwar an klassische Vorbilder angelehnt, aber vor dem Hintergrund des Schauplatzes Japan eine erfrischende Abwechslung.
  • Rex Stout – Die goldenen Spinnen
    • Hardcover, März 2020, Klett-Cotta Verlag, 978-3608963908, 240 Seiten, 16,00 €
    • Crimealley-Prognose: Hier versuche ich mich mal kurz zu fassen. Die Neuauflage der Nero-Wolfe-Bände ist für Freunde des einmaligen Gourmet-Detektivs ein Segen und – zumindest meiner Ansicht nach – auch optisch ein absoluter Hingucker. Da es in meinem ureigensten Interesse ist, dass die Reihe noch lange fortgesetzt wird, werde ich Klett-Cotta wieder mit einem Kauf unterstützen.
  • Ray Celestin – Gangsterswing in New York
    • Broschiertes Taschenbuch, April 2020, Piper Verlag, 978-3492061650, 704 Seiten, 18,00 €
    • Crimealley-Prognose: Mit Gangsterswing von New York legt Celestin bereits den dritten Band seines City Blues Quartetts vor, dessen Beschreibung mich wieder komplett abholt – und mich in meinem blinden Eifer sogar vergessen lässt, dass ich noch nicht einmal die ersten beiden Teile gelesen habe. Die späten 40er Jahre, Mafia, verrauchte Clubs, Privatdetektive und der Abschaum der Unterwelt. Shut up and take my money!
  • Tom Franklin – Wilderer
    • Taschenbuch, Januar 2020, Pulp Master, 978-3946582076, 270 Seiten, 14,80 €
    • Crimealley-Prognose: Natürlich wird Wilderer, wie auch der folgende Pulp Master Titel Moder, nicht im Januar 2020 erscheinen, ist doch das Datum erstmal als reiner Platzhalter gedacht. Zeit ist aber auch kein Faktor der im Zusammenhang mit Frank Nowatzkis Verlag eine Rolle spielt, der schon immer eine Prämisse verkörpert hat: It’s done when it’s done – and it’s always fucking great. Dennoch ist Vorfreude auf Wilderer groß, sind es doch diese Kurzgeschichten, welche dem Southern Gothic Autor Franklin zum Durchbruch verhalfen. Als Freund dieses in den alten Südstaaten beheimateten Sub-Genres ist die angekündigte Veröffentlichung für mich jedenfalls eine großartige Nachricht.
  • Garry Disher – Moder
    • Taschenbuch, Januar 2020, Pulp Master, 978-3946582069,  270 Seiten, 14,80 €
    • Crimealley-Prognose: Nach dem gerade erschienenen Hitze hat Pulp Master mit Moder gleich den nächsten Titel mit dem Berufsverbrecher Wyatt in der Pipeline. Unglaublich, dass ich es immer noch nicht über den Auftakt Gier hinausgeschafft habe. Andererseits beruhigend zu wissen, dass da noch so viel Gutes auf mich wartet, zumal ja Wallace Stroby mit seiner Crissa Stone auch eine Pause eingelegt hat. Wer Wyatt übrigens bisher nicht kannte, sollte diese kulturelle Lücke unbedingt füllen.

 

23 Gedanken zu “+++ Vorschau-Ticker „Crime“ – Frühling/Herbst 2020 – Teil 1 +++

    • Und es ist ja auch erst der Anfang. Es gibt da einige Titel, deren Übersetzung ich sehnlichst erwarte. Unter anderem „This Storm“, den zweiten Band des zweiten L.A.-Quartetts von Ellroy, sowie Chris Offutts „Country Dark“ und Taylor Browns „Gods of Howl Mountain“. Ich hoffe, die Titel hatten die dt. Verleger auf dem Schirm. ;-)

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  1. Eine Auswahl, die ich fast komplett in meinem Bücherschrank übernehmen könnte. Bis auf Ray Celestin, der mich so gar nicht reizt, und naja, mit Spionen steh ich ja ein wenig auf Kriegsfuß, aber vielleicht wird das ja noch was – Slow Horses fand ich ja ganz gut.
    Ach und wenn es danach geht, was man schon zu Hause hat… na ja, sagen wir mal so, wenn ich in die Altersarmut rutsche, brauch ich zumindest kein Geld mehr für Bücher zusammenzusparen, denn mein Vorrat wird auch einige Ewigkeiten reichen….

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    • Also das Thema „Spione“ würde ich auch nicht so grundsätzlich ablehnen, denn da würden Dir einige Titel entgehen, die Dir ganz sicher gefallen dürften. Ich könnte Dich da gerne kompetent beraten. *lach* :-D :-D

      Celestin lacht mich persönlich an, da ich überhaupt für diese noiresken Krimis, die in den 10er bis 60er Jahren angesiedelt sind, eine absolute Schwäche habe. Und die Reviews sind ja durchgehend äußerst positiv.

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            • Also ein paar meiner ewigen Favoriten (bin gerade erst von der Arbeit gekommen & verzichte an dieser Stelle mal auf eine nähere Inhaltsbeschreibung ;-) ):

              Ken Follett – Die Nadel (Für mich neben „Die Säulen der Erde“ Folletts bester Wurf. Falls noch nicht bekannt, definitiv ein Spannungsgarant)

              John Buchan – Die 39 Stufen (Atmosphärischer Klassiker und einer der ersten Spionageromane)

              Eric Ambler – Anlass zur Unruhe (Unheimlich visionärer Thriller um einen ungewollten Spion, der leider wieder in die Zeit passt. Überhaupt Eric Ambler – von dem kannst du alles lesen!)

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              • Hm, wie soll ich das jetzt schreiben….
                Fangen wir mal mit dem guten an: Die 39 Stufen sind auf meiner Merkliste gelandet.
                Der Follett aber nicht – der spricht mich gar nicht an. Zumindest nicht vom Klappentext.
                Und Ambler… hm, da hab ich dieses Jahr „Die Maske des Dimitrios“ gelesen und ich fand es zwar ok, aber mehr auch nicht. Da bin ich also noch am überlegen.
                Tut mir sehr leid! Ich hab ja vorgewarnt – ich und Spione, das ist bisher nicht gut gelaufen.

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                • Immer gerne!

                  Hm, dann ist Ambler vielleicht einfach nicht dein Fall. Würde deswegen aber nicht grundsätzlich das Genre des Spionage-Romans ausschließen, da das doch allerlei verschiedene Facetten hat.

                  An den Klappentext von „Die Nadel“ kann ich mich nicht erinnern. Nur daran, es in zwei Tagen durchgelesen zu haben. Hier war Follett wie gesagt (für mich) auf der Höhe seines Schaffens. Und mit der Figur des Faber (im Film gespielt von Donald Sutherland) ist ihm ein äußerst einprägsamer Antagonist gelungen. Man ertappt sich dann irgendwann dabei, den Bösen die Daumen zu drücken. Wenn du es irgendwo mal als Mängelexemplar rumfliegen siehst, greift dennoch zu. Glaub mir: Es lohnt wirklich und müsste Dir eigentlich auch gefallen.

                  Wenn es etwas literarischer sein soll, hätte ich auch noch „Der Geheimagent“ von Joseph Conrad im Angebot, der rund um ein reales Anarchisten-Attentat im England der 1890er Jahre spielt.

                  Oder Frayns „Das Spionagespiel“, eine Coming-of-Age-Story rund um zwei Jungs im Zweiten Weltkrieg, die sich in die Welt der Agenten hereinziehen lassen (Die Mutter des einen spioniert für die Deutschen).

                  Und damit belasse ich es dann auch erstmal. :-)

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  2. Freue mich sehr auf Adrian McKinty. „The Chain“ war ja wirklich gruselig schlecht. Genau die richtige Entscheidung von Suhrkamp, den Titel nicht gemacht zu haben. Stumpfer als stumpf – da ist mir Sean Duffy allemal lieber!

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