Zeit für einen Rückblick ins Jahr 2008: Es ist also schon etwas länger her, dass Rotbuch nach nur wenigen Titeln (18 um genau zu sein) die Hard-Case-Crime-Reihe von jetzt auf gleich – und zu meinem immer noch großen Bedauern – eingestellt hat. Auf Nachfrage wurde dies damals mit fehlender Nachfrage begründet. Durchaus nachvollziehbar, da wohl hierzulande nur wenige den Sinn der Schund-Cover verstanden bzw. den hohen Anspruch von Ardais Serie erkannt haben. Der hat übrigens ebenfalls zur Feder gegriffen und unter dem Pseudonym u.a. folgenden Band beigesteuert:
Für mich gehörte sie zu den Entdeckungen der letzten Jahre und es ist schade, dass ihr hierzulande keine allzu lange Laufzeit beschienen war: Die „Hard Case Crime“-Reihe vom Rotbuch-Verlag.
Eins zu eins von der US-amerikanischen Vorlage übernommen, rückt sie, allein schon dank der trashig gestalteten Cover im Retro-Look, den vormals so angestaubten Krimi-Noir wieder ins Blickfeld der Leserschaft. Aber nicht nur das Äußere der Reihe überzeugt, auch die Auswahl der Autoren kann sich sehen lassen. Neben verloren geglaubten Klassikern von Lawrence Block, Donald E. Westlake und Co. geben zeitgenössische Autoren ihr Debüt, die ganz im Stile ihr Vorbilder schreiben. Darunter ist auch Richard Aleas, das Pseudonym von Charles Ardai, dem Herausgeber der Reihe in den USA. „Tod einer Stripperin“ ist sein erster Versuch als Schriftsteller und ein durchaus gelungener, der andeutet, dass Potenzial für mehr vorhanden ist. Die Handlung sei hier schnell angerissen:
John Blake ist Privatermittler in einer kleinen Kanzlei in New York. Jung, gutgläubig und noch recht grün hinter den Ohren, wird er von seinem Mentor, dem ehemaligen Cop Leo angeleitet, welcher ihm die Kniffe des Geschäfts beibringen und ihn zu seinem zukünftigen Nachfolger ausbilden will. Als Blake jedoch aus der Zeitung erfährt, dass seine Schulfreundin und Jugendliebe Miranda Sugerman, die er seit gut zehn Jahren nicht mehr gesehen hat, auf dem Dach eines Strip-Clubs ermordet wurde, droht der junge Detektiv den Blick für das Wesentliche zu verlieren. Obwohl ihm von Leo stets emotionale Distanz gepredigt wurde, beginnt er auf eigene Faust zu ermitteln und muss dabei bald feststellen, dass Miranda, die kurz nach der Schule noch eine Karriere als Ärztin ins Auge gefasst hatte, relativ schnell in einem ziemlich düsteren Milieu gelandet ist. Seine Nachforschungen bringen ihn in die dunklen Strip-Lokale New Yorks … und selber in höchste Lebensgefahr.
Nein, diese Geschichte ist wahrlich nicht neu und auch nur wenig innovativ. Und auch die Aussage Paramours auf dem Deckblatt, „Aleas kann es ohne Weiteres mit Chandler aufnehmen„, muss der Kenner dieses Genres mit einem verächtlichen Schnauben abtun, denn zwischen den zwei liegen zweifelsfrei Welten. Dennoch ist dieses Werk kein schlechtes, unterhält diese 250-seitige Story überaus gut, was schlichtweg daran liegt, dass Aleas nicht nur das Flair des Big Apples hervorragend aufzufangen weiß, sondern auch den fast vergessenen klassischen Private-Eye sehr ordentlich in die Jetztzeit katapultiert. Dreckige Hinterhöfe, verregnete Gassen, abgewrackte Schuppen mit flackernden Neonreklamen.
Bereits nach wenigen Seiten vermag die Atmosphäre zu fesseln, die aus der Sicht des Ich-Erzählers Blake geschildert wird. Dieser ist im Gegensatz zu Marlowe, Spade und Co. ein wenig beeindruckender Bursche, dessen sentimentale Anwandlungen zudem nicht ganz in dieses Genre passen wollen. Ein wenig naiv tappt er von einer gefährlichen Situation in die nächste, stets darauf bedacht, den hilflosen Hilfe angedeihen zu lassen. Ein Saubermann, der in dieser dreckigen Welt eigentlich nichts zu suchen hat, dieses allerdings auch ziemlich schnell selbst feststellt. Man folgt ihm dennoch bereitwillig, weil sich die Story mit jeder Seite ein bisschen mehr zuspitzt und uns damit auch unmerklich Blake ans Herz wächst. Die Auflösung ist, besonders für Vielleser, zwar wenig überraschend, wird aber überzeugend, spannend und logisch konstruiert, so dass man letztendlich das Buch nicht begeistert, aber zufrieden, zuklappen kann.
Insgesamt ist „Tod einer Stripperin“ ein unterhaltsamer, grundsolider Noir-Pulp-Mischling in der Tradition von Chandler und Cain, der deren Tiefe und literarische Qualität in beiden Fällen nicht erreicht, für einige Stunden Lesespaß jedoch mehr als taugt und durchaus Lust auf ein Wiedersehen mit John Blake macht.
Wertung: 80 von 100 TreffernAutor: Richard Aleas
- Titel: Tod einer Stripperin
- Originaltitel: Little Girl Lost
- Übersetzer: Conny Lösch
- Verlag: Rotbuch Verlag
- Erschienen: 09.2008
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 256
- ISBN: 978-3-8678-9047-2